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Heinrich Zille

„Pinselheinrich”

Zille kommt nach Berlin 

Abb Heinrich Zille
Heinrich Rudolf Zille geboren am 10. Januar 1858 in Radeburg; gestorben am 9. August 1929 in Berlin. Er war Grafiker, Lithograf, Maler, Zeichner und Fotograf.

In seiner Kunst bevorzugte der auch „Pinselheinrich” genannte Heinrich Zille Themen aus dem Berliner „Milljöh” - aus seinem „Milljöh”.
Er kam mit seinen Eltern schon als Kind nach Berlin. Sein Vater war auf der Suche nach Arbeit. Heinrich Zille musste daher mit ärmlichen Lebensweisen vorliebnehmen. Am Anfang schliefen alle in einem Raum und Möbel hatten sie auch nicht.

„Mit neun Jahren kam ich aus Sachsen nach Berlin, so um 1867. Am Anhalter Bahnhof kletterten wir aus dem Zug. Da hätten wir nun in der Gegend wohnen bleiben sollen. Denn die Leute siedelten sich damals in den Stadtteilen an, wo sie mit der Bahn ankamen. Die Pommern blieben am Stettiner Bahnhof, am Schlesischen Bahnhof wohnten die Ostpreußen und die Pollacken und am Görlitzer Bahnhof die Schlesier. Wir zogen aber in die Gegend am Schlesischen Bahnhof mit ihren engen, alten Häusern. Was ich da sah, habe ich schon in der Geschichte vom Kellner-Fränze und von Frau Clara mitgeteilt. Jugendeindrücke - die haften! - Na, und denn, was man so als Lehrling und als Geselle erlebte. Da gibt's 'ne ganze Menge Geschichten . . .”

Zilles Ausbildung 

Abb Alle mussten sich am Unterhalt der Familie beteiligen. So lernte Zille alle Menschen in ihren elendigen Behausungen kennen und verlor nie den Blick dafür, wie einige Nachbarn leben mussten.

Berlin war ein Anziehungspunkt für Arbeitssuchende. Die Fabriken schossen wie Pilze aus dem Boden und der Wohnraum war knapp. Damals gab es keine sozialen Sicherheiten. Jeder war sich selbst überlassen. Jugendkriminalität war überall zu erleben.

Zille fasste das auch in einem späteren Bild zusammen. Erst kam das Erziehungsheim und die Fürsorgeeinrichtung und dann wurden sie am „Alex” bekannt - (am Alexanderplatz befand sich damals das Polizeipräsidium). Die Menschen ließen sich als echte Berliner nicht unterkriegen. Sie meisterten ihre Lebensverhältnisse und um überleben zu können mussten sie praktisch und derb werden. An Pflichtgefühl, Ehrlichkeit und einem gesunden und sparsamen Ordnungssinn fehlte es ihnen dabei nicht.

Heinrich Zille hatte Glück. Seine Eltern unterstützten ihn bei der Ausbildung zum Maler. So war sein Leben als Kind geprägt von Schule - Arbeit - Zeichenunterricht. Zille sagte später einmal, dass er keine Begabung hätte, sondern nur durch Fleiß und Übungen zu seinen Arbeiten kam.

„1872 lernte ich Lithograph und ging die Woche zweimal abends in den Unterricht zum alten guten Professor Hosemann in die Kunstschule, die damals in der Akademie war, . . .”

„Der alte Hosemann ließ mich in seiner Wohnung, Louisenstraße, am Neuen Tor, ganz gern seine Skizzen und Zeichnungen ansehen und auch abmalen, sagte aber: ,Gehen Sie lieber auf die Straße 'raus, ins Freie, beobachten Sie selbst, das ist besser als nachmachen. Was Sie auch werden - im Leben können Sie es immer gebrauchen; ohne zeichnen zu können, sollte kein denkender Mensch sein.' Es ist ein nicht grade heiteres, von wenig Sonne erhelltes Feld, das ich wählte: der fünfte Stand, die Vergessenen! . . .”

 

Zilles Weg zum freien Künstler 

Abb

Als er heirate, war er bereits fest angestellt als Lithograph. Die Lithographie war damals die einzige Möglichkeit Fotos oder andere Bilder zu vervielfältigen. Die Bilder wurden auf Druckplatten durch „Abzeichnen” übertragen. Die Drucke ließen es sogar zu, dass auch Farbbilder gedruckt werden konnten und nicht mühselig anschließend eingefärbt werden mussten. Für Kataloge von Möbeln und Kleidung und anderen Dingen wurden so die Vorlagen erstellt.

Da seine Arbeitsstelle mitten im alten Berlin lag ging Zille nebenbei immer noch mit kleinen Zetteln und Zeichenstift durch die Straßen und skizzierte den Alltag der einfachen Leute.

„Meine erste eigene Wohnung war im Osten Berlins im Keller; nun sitze ich schon im Berliner Westen, vier Treppen hoch, bin also auch ‚gestiegen'. Einige Radierungen sind ins Kupferstichkabinett gelangt und eine Anzahl Zeichnungen und Skizzen in die Nationalgalerie. Jetzt 1924, bin ich sogar Mitglied der Akademie geworden. Dazu schreibe ich das, was das völkische Blatt, der ,Fridericus' sagt:

,Der Berliner Abort- und Schwangerschaftszeichner Heinrich Zille ist zum Mitglied der Akademie der Künste gewählt und als solcher vom Minister bestätigt worden. - Verhülle, o Muse, dein Haupt.”

Heinrich Zille arbeitete 30 Jahre lang bei der Photographischen Gesellschaft und wurde nach seinem 50. Geburtstag gekündigt. Er war arbeitslos und musste sich jetzt um eine neue Anstellung bewerben. Das war damals bei seinem Alter genauso schwierig wie heute. Für Zille gab es nur einen Ausweg. Er wurde freier Künstler.

Er fand Unterstützung durch den Präsidenten der Akademie der Künste Max Liebermann. Dieser sorgte dafür, dass Zille Ausstellungen machen konnte, den Titel Professor bekam und in die Akademie der Künste aufgenommen wurde. Seine Zeichnungen wurden jetzt zur Handelsware. Sehr hohe Preise mussten schon zu Zilles Lebzeiten dafür bezahlt werden. Auch für Zeichnungen, die er für wenig Geld an Verlage eingereicht hatte, um in Zeitungen und Illustrierten abgedruckt zu werden.

Zille hatte Zeit seines Lebens nichts von dem Ruhm. Andere verdienten sich mit Zille-Themen „duss'lig und dämlich”. Es wurden „Zillebälle” veranstaltet und „Zilletypen” durften in keinem Kabarett und anderen Aufführungen fehlen.

Zilles Wirken 

Abb Zille war in der Bevölkerung sehr beliebt. Am Anfang war das Zille sehr peinlich, aber als er nicht mehr so richtig laufen konnte wusste er es auch zu genießen. Als er einmal von einem Taxifahrer nach Hause gebracht werden wollte passierte folgendes:

„Und als wir dann durch den Tiergarten kamen, da stoppte er ein bisschen. Nanu, denke ich, was soll das werden? Da dreht er sich um und fragt lächelnd:
,Sie sind doch Zille, der Maler Zille?'
Ich mußte nun ‚Ja' sagen.
,Na, ick habe Sie doch jleich erkannt - nach den Bildern in der Zeitung. Haben Sie't eilig?’
,Das gerade nicht', antwortete ich. ,Aber ich muß fahren, weil meine Beine mich nicht mehr so weit tragen.’
,Woll'n Sie nich noch'n bißken spazieren fahren? Ick stelle de Uhr ab. Sie kommen doch jewiß nich mehr ville an de. frische Luft! . . Un for Zille'n hab' ick immer'n bißken Zeit
Und er fuhr mich raus bis Spandau und dann wieder nach Hause - So richtig durch die schöne Luft . . .”

Zille hatte nie etwas gegen neue Techniken. Im Gegenteil die Fotografie erlaubte es ihm, seine Skizzen schneller zu erstellen. Viele Fotografien dienten ihm als Vorlagen für seine Zeichnungen, die er aus Details mehrerer Bilder zusammenstellte. Seine Fotosammlung ist eine Dokumentation des alten Berlins zur Zeit der „Gründerjahre”. Die armseligsten Gebäude wurden schon zu seinen Lebzeiten abgerissen und durch größere Mietskasernen ersetzt. Aber er dokumentierte nicht nur den äußeren Wandel der Stadt, sondern auch das Leben der Menschen darin.

„Immer hab' ich mit den kleinen Leuten gelebt, mit denen ich aufgewachsen, die für mich die Großen waren: - Volk - die Armen. Die den Besitz und die Wohlhabenheit weniger müssen erhalten, vermehren und sich selbst mit Brosamen sollen abfinden. Ich versuchte mit Bild und Wort die Vergessenen zu bannen, so nach und nach kam ich in die Zeitungen, illustrierten Zeitschriften, in die Witzblätter und wurde so der ,Arme-Leute-Maler‘- leider Witzblätter - es tut weh, wenn man den Ernst als Witz verkaufen muss . . .”

„Ich fragte mal, wie sich das Publikum, seine Kunden, über die Bilder aussprechen. ,Großartig!‘ Sie könn′ jarnich erwarten, jeder will die Zeitung oder das neue Buch haben - aber es sin ooch Jegner dabei, die da sagen: Berlin würde dadurch beleidigt, verschandelt! Da hab' ick ihn' jesagt: ,Meine Herren - det verstehn Se wohl nicht - det is eben Zille sein Milljöh - und aus sein Milljöh kann er eben nich mehr raus!’
Und ich sagte: ,Er will es auch nicht.‘ ”

 

Quelle: Die kursiven Textstellen sind Originalzitate von Heinrich Zille. / Das Zille Buch - Berlin 1929 / Kinder der Strasse - Berlin 1921

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