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Die goldene Gans (nach Jakob und Wilhelm Grimm)

Die goldene Gans

Es war ein Mann, der hatte drei Söhne, davon hieß der jüngste der Dummling, und wurde verachtet und verspottet, und bei jeder Gelegenheit zurückgesetzt.

Es geschah, dass der älteste in den Wald gehen wollte, um Holz hauen, und eh er ging, gab ihm noch seine Mutter einen schönen feinen Eierkuchen und eine Flasche Wein mit, damit er nicht Hunger und Durst litte.

Als er in den Wald kam, begegnete ihm ein altes graues Männlein, das bot ihm einen guten Tag und sprach: „Gib mir doch ein Stück Kuchen aus deiner Tasche, und lass mich einen Schluck von deinem Wein trinken, ich bin so hungrig und durstig."

Der kluge Sohn aber antwortete: „Wenn ich dir meinen Kuchen und meinen Wein gebe, so hab ich selber nichts, pack dich deiner Wege."

Er ließ das Männlein stehen und ging fort.

Als er nun anfing einen Baum zu behauen, dauerte es nicht lange, so hieb er fehl, und die Axt fuhr ihm in den Arm. Er musste heimgehen und sich verbinden lassen.

Das war aber von dem grauen Männchen gekommen.


Darauf ging der zweite Sohn in den Wald, und die Mutter gab ihm, wie dem ältesten, einen Eierkuchen und eine Flasche Wein. Dem begegnete gleichfalls das alte graue Männchen und hielt um ein Stückchen Kuchen und einen Trunk Wein an.

 

Aber der zweite Sohn sprach auch ganz verständig: „Was ich dir gebe, das geht mir selber ab, pack dich also deiner Wege." Und auch er ließ das Männlein stehen und ging fort.

Die Strafe blieb nicht aus, als er ein paar Hiebe am Baum getan hatte, hieb er sich ins Bein und verletzte sich so schwer, dass er nach Haus getragen werden musste.

Da sagte der Dummling: „Vater, lass mich einmal hinaus gehen und Holz hauen."

Doch der Vater antwortete: „Deine Brüder haben sich dabei schwer verletzt. Lass es also lieber, du verstehst eh nichts davon."

Der Dummling aber bat so lange, bis der Vater endlich sagte: „Geh nur hin, durch Schaden wirst du klug werden."

Die Mutter gab ihm einen Kuchen, der war mit Wasser in der Asche gebacken, und dazu eine Flasche saueres Bier.

Als er in den Wald kam, begegnete ihm gleichfalls das alte graue Männchen, grüßte ihn und sprach: „Gib mir ein Stück von deinem Kuchen und einen Trunk aus deiner Flasche, ich bin so hungrig und durstig."

Der Dummling antwortete: „Ich habe aber nur Aschenkuchen und saueres Bier, wenn dir das recht ist, so wollen wir uns setzen und essen."

Da setzten sie sich, und als der Dummling seinen Aschenkuchen herausholte, so wars ein feiner Eierkuchen, und das sauere Bier war ein guter Wein. Nun aßen und tranken sie, und danach sprach das Männlein: „Weil du ein gutes Herz hast und mit mir so großzügig geteilt hast, so will ich dir Glück bescheren. Dort steht ein alter Baum, den hau ab, so wirst du in den Wurzeln etwas finden."

Darauf nahm das Männlein Abschied.


Der Dummling ging hin und hieb den Baum um, und als er fiel, saß in den Wurzeln eine Gans, die hatte Federn von reinem Gold.

Er hob sie heraus, nahm sie mit sich und ging in ein Wirtshaus, um dort zu übernachten.

Der Wirt hatte aber drei Töchter, die sahen die Gans, waren neugierig was das für ein wunderlicher Vogel wäre und hätten gar gern eine von seinen goldenen Federn gehabt.

Die älteste Tochter dachte: „Es wird sich schon eine Gelegenheit finden, wo ich mir eine Feder ausziehen kann."

Als der Dummling einmal hinaus gegangen war, fasste sie die Gans beim Flügel, aber Finger und Hand blieben ihr fest daran hängen.

Bald danach kam die zweite Tochter und hatte keinen andern Gedanken als sich eine goldene Feder zu holen.

Doch kaum aber hatte sie die Gans angerührt, blieb auch sie an ihr hängen.

Endlich kam auch die dritte Tochter in gleicher Absicht.

Da schrien die andern: „Bleib weg, ums Himmelswillen, bleib weg."

Aber sie begriff nicht warum sie wegbleiben sollte, und dachte: „Sind die dabei, so kann ich auch dabei sein!"

Also sprang auch sprang herzu, und wie sie ihre Schwester angerührt hatte, so blieb sie an ihr hängen. So mussten sie die ganze Nacht bei der Gans zubringen.

Am andern Morgen nahm der Dummling die Gans in den Arm, ging fort, und kümmerte sich nicht um die drei Mädchen, die daran hingen.

Sie mussten immer hinter ihm drein laufen, links und rechts, wie es ihm in die Beine kam.

Mitten auf dem Felde begegnete ihnen der Pfarrer, und als er den Aufzug sah, sprach er: „Schämt euch, ihr garstigen Mädchen, was lauft ihr dem jungen Bursch durchs Feld nach, schickt sich das?"

Damit fasste er die jüngste an die Hand und wollte sie zurückziehen. Als er sie aber anrührte, blieb er gleichfalls hängen und musste nun ebenfalls hinter drein laufen.

Nicht lange, so kam der Küster daher, und sah den Herrn Pfarrer, der drei Mädchen auf dem Fuß folgte.

Da verwunderte er sich und rief: „Ei, Herr Pfarrer, wo hinaus so geschwind? Vergesst nicht dass wir heute noch eine Kindtaufe haben!"

Er lief auf ihn zu und fasste ihn am Ärmel, blieb aber auch fest hängen.

Als die fünf so hintereinander her trabten, kamen zwei Bauern mit ihren Hacken vom Feld.

Da rief der Pfarrer ihnen zu und bat, sie möchten ihn und den Küster los machen. Kaum aber hatten sie den Küster angerührt, so blieben sie hängen, und waren ihrer nun siebene, die dem Dummling mit der Gans nachliefen.

Er kam darauf in eine Stadt, da herrschte ein König, der hatte eine Tochter, die war so ernst, dass sie niemand zum Lachen bringen konnte.

Darum hatte der König ein Gesetz erlassen: Wer sie zum Lachen bringen könnte, den sollte sie heiraten.

Als der Dummling das hörte, ging mit seiner Gans und ihrem Anhang vor die Königstochter, und als diese die sieben Menschen immer hinter einander herlaufen sah, fing sie heftig an zu lachen und wollte gar nicht wieder aufhören.

Da verlangte sie der Dummling zur Braut. Aber dem König gefiel der Schwiegersohn nicht, er machte allerlei Einwendungen und sagte, er müsste ihm erst einen Mann bringen, der einen Keller voll Wein austrinken könnte.

Der Dummling dachte an das graue Männchen, das könnte ihm wohl helfen. So ging er hinaus in den Wald zu der Stelle, wo er den Baum abgehauen hatte.

Dort sah er einen Mann sitzen, der machte ein ganz betrübtes Gesicht. Der Dummling fragte ihn, was er sich so sehr zu Herzen nähme.

Da antwortete er: „Ich habe so großen Durst, und kann ihn nicht löschen, das kalte Wasser vertrage ich nicht, ein Fass Wein habe ich zwar ausgeleert, aber das war nur ein Tropfen auf einen heißen Stein?"

„Da kann ich dir helfen," sagte der Dummling, „komm nur mit mir, du sollst genug zu trinken bekommen."

Er führte ihn in den Keller des Königs, und der Mann machte sich über die großen Fässer, trank und trank, dass ihm die Hüften schmerzten, und ehe ein Tag herum war, hatte er alle Fässer ausgetrunken.

Der Dummling verlangte abermals seine Braut, der König aber ärgerte sich, dass ein schlechter Bursche, den jedermann einen Dummling nannte, seine Tochter davon tragen sollte.

Also stellte er eine neue Bedingungen auf: Er müsste erst einen Mann herbeischaffen, der einen Berg voll Brot aufessen könnte.

Der Dummling besann sich nicht lange, sondern ging gleich hinaus in den Wald.

Da saß auf demselben Platz ein Mann, der schnürte sich den Leib mit einem Riemen zusammen, machte ein grämliches Gesicht, und sagte: „Ich habe einen ganzen Backofen voll Raspelbrot gegessen, aber was hilft das, wenn man so großen Hunger hat, wie ich. Mein Magen bleibt leer, und ich muss mich nur zuschnüren, wenn ich nicht Hungers sterben soll."

Der Dummling war froh das zu hören und sprach: „Mach dich auf und geh mit mir, du sollst dich richtig satt essen."

Er führte ihn an den Hof des Königs, der hatte alles Mehl aus dem ganzen Reich zusammenfahren und einen ungeheueren Berg davon backen lassen.

Der Mann aus dem Walde stellte sich davor, fing an zu essen, und in einem Tag war der ganze Berg verschwunden.

Der Dummling forderte zum dritten Mal seine Braut, der König aber suchte noch einmal Ausflucht, und verlangte ein Schiff das zu Land und zu Wasser fahren könnte

„Sobald du damit angesegelt kommst," sagte er, „so sollst du gleich meine Tochter zur Gemahlin haben.

Der Dummling ging geraden Weges in den Wald, da saß das alte graue Männchen, dem er seinen Kuchen gegeben hatte, und sagte: „Ich habe für dich getrunken und gegessen, ich will dir auch das Schiff geben. Das alles tue ich, weil du barmherzig gegen mich gewesen bist."

Er gab ihm das Schiff, das zu Land und zu Wasser fuhr, und als der König das sah, konnte er dem Dummling seine Tochter nicht länger vorenthalten.

Die Hochzeit ward gefeiert, nach des Königs Tod erbte der Dummling das Reich, und lebte lange Zeit vergnügt mit seiner Gemahlin.


nach Jacob Grimm (1785 - 1863) und Wilhelm Grimm (1786 - 1859)

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