Niemand zufrieden
Eine frisch erblühte Blume Fand ihr Leben gar gering, Und sie sah sich um und wünschte: Wär' ich doch ein Schmetterling! Nicht gebannt an diesen Boden Zög' ich frei durch Wies' und Feld; Mir gehörte Erd' und Himmel, Ja, die ganze weite Welt! - Als sie kaum das Wort gesprochen, Kam ein Schmetterling herzu, Und er sprach: O schöne Blume, Hätt' ich doch ein Los wie du! In der Hut der Menschen lebst du Ruhig deine Tage hin, Während ich ein armer Flüchtling Auf der schönen Erde bin. - Und erfüllet ward ihr Wünschen, Ehe kaum ein Jahr verging: Schmetterling ward eine Blume, Und die Blum' ein Schmetterling. Und da hört' ich beide wieder, Als ich just im Garten ging - Schmetterling sprach: Wär' ich Blume! Blume: Wär' ich Schmetterling! August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)
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