Einem Sommer
Sommer, eh' du nun entwandelst Über sonnenrote Höhn, Soll dir meine Seele sagen, Wie du mir vor allen schön! Wähne nicht, dass meinem Herzen
Sommer so wie Sommer sei;
Seltsam wie der Wolken Wandel Ziehn die Zeiten ihm vorbei. Und wie du hervorgetreten Aus der Zukunft ernstem Tor,
Atmete aus dumpfen Qualen,
Atmete dies Herz empor ... Dankbar will ich das nun singen: Wie die Wiese lag im Glanz Und du gingst am Rand im Schatten,
Und dein Gehn war Klang und Tanz -
Wie auf Wolken du gefahren, Deren Weg dein Hauch gebeut, Wie du in den hohen Himmel Weiße Rosen hingestreut -
Wie du aus des Nussbaums Wipfel Durchs Gezweige sahst herab - Wie du rote Blüte gossest Über ein versunknes Grab - Wie im Wald am schwarzen Stamme
Stumm du standest, schwertbereit, Als ein sonnenblanker Ritter Aus verklung'ner Heldenzeit - Wie du alle Glocken schwangest Zum beglühten Turm des Doms - Wie du rötlich hingewandelt
Auf der Wellenflur des Stroms, Oder wie du braun von Wangen Westlich schrittest durch das Feld Und mit einer Amsel Tönen
Leis' erweckt die Sternenwelt ...
Hoher, ehe du entwandelst In den Saal „Vergangenheit", Nimm mit dir wie Hauch der Felder Diesen Hauch der Dankbarkeit!
Wo gestorb'ne Sommer wandeln Hinter nachtumraunten Höhn, Wo nur Schatten dich umschweigen, Soll er singend mit dir gehn. Otto Ernst ( 1862 - 1926)
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Quelle: Foto: © 2008 Medienwerkstatt Mühlacker Verlagsgesellschaft mbH (MF) |