Die Arbeitsgerichtsbarkeit verdankt ihre Entstehung der Industrialisierung und der Herausbildung des freien Lohnarbeiters zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Zuvor war es die Zunftgerichtsbarkeit, welche die Streitigkeiten nicht nur zwischen den Handwerkern untereinander, sondern ebenso zwischen ihnen und ihren Gesellen entschied.
Das genossenschaftliche Selbstverständnis der Zünfte war auf Autonomie und gegen die Unterwerfung unter staatliche Gerichte angelegt. Trotz wiederholter Versuche im 16. und 17. Jahrhundert, die Zunftgerichtsbarkeit zurückzudrängen, blieb deren Macht faktisch weitgehend erhalten.
Auch als mit der Reichszunftordnung von 1731 das gesamte Handwerkerrecht auf eine neue Grundlage gestellt und die autonome Gesellengerichtsbarkeit im Wesentlichen beseitigt werden sollte, leisteten die Gesellen zunächst noch Widerstand.
Doch mit der Einführung der Gewerbefreiheit, der Aufhebung des Zunftzwangs und der rasch steigenden Zahl von Lohnarbeitern in Fabriken und Manufakturen wurde der Niedergang der Zünfte unaufhaltsam.
Allerdings hatten manche Prinzipien der Zunftgerichtsbarkeit, wie die Nichtzulassung von Rechtsanwälten sowie das mündliche und summarische, auf Konsens und Schlichtung angelegte Verfahren auf die Entwicklung der Arbeitsgerichtsbarkeit nachhaltige Auswirkungen.
Der Wegfall der ständischen Ordnung führte zunächst zu einem Vakuum, das auszufüllen die ordentlichen Gerichte nur unzulänglich in der Lage waren. So begründeten 23 Berliner Kattundruckerei-Unternehmer im Jahre 1814 ihren Antrag auf Errichtung eines Fabrikengerichts damit, sie wollten mit ihren Streitigkeiten nicht vor die ordentlichen Gerichte gehen, "weil die ... Untersuchungen aus Mangel an Sachkenntnis ... gewöhnlich nicht gründlich genug ausfallen, der Geschäftsgang überhaupt mit zu vielen Förmlichkeiten verbunden ist, die Entscheidungen zu lange ausbleiben und sich die Prozesskosten zu sehr anhäufen".
Ebenso war bereits Napoleon im Jahre 1805 auf einer Fahrt nach Italien in Lyon, dem Zentrum der französischen Seidenindustrie, mit dem Wunsch der Handelskammer konfrontiert worden, ein neues Gewerbegericht zu errichten.
Schon zuvor hatten sich die Seidenfabrikanten bei der französischen Regierung über die massenhafte Verletzung der Lehrverträge, den verbreiteten Arbeitsvertragsbruch durch die Arbeiter sowie über Unterschlagungen und Betrügereien beklagt.
Die Wünsche der Lyoner Seidenfabrikanten nach einem besonderen Gericht fanden ebenso Gehör wie die der Berliner Kattundruckerei-Unternehmer. In Berlin wurde das Berliner Fabrikengericht, in Lyon der Rat der Gewerbesachverständigen (conseil de prud`hommes) errichtet.
Die beiden Gerichte stehen für die zwei unterschiedlichen Modelle der Gewerbegerichte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Während das Berliner Fabrikengericht ein staatliches Gericht war, in welchem die Heranziehung von Fabrikenkommissaren und Sachverständigen besondere Sachkunde gewährleisten sollte, handelte es sich bei den conseils de prud`hommes um eine allein von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragene Eigengerichtsbarkeit, mit der an die Tradition der Zünfte angeknüpft wurde.
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