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Weihnachtssperlinge (Gustav Falke)

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Weihnachtssperlinge

Vor meinem Fenster die kahlen Buchen
sind über und über mit Schnee behangen.
Die Vögel, die da im Sommer sangen,
wo die wohl jetzt ihr Futter suchen?
Im fernen Süden sitzen sie warm
und wissen nichts von Hunger und Harm.

Ihre ärmlichen Vettern, sie Spatzen und Krähen,
müssen sich durch den Winter schlagen,
müssen oft mit leerem Magen
vergebens nach einem Frühstück spähen.
Da kommen sie an mein Fensterbrett:
Gesegnete Mahlzeit, wie sitzt du im Fett!

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Eine unverschämte Bemerkung!
Aber was will man von Spatzen verlangen,
sind nie in die Anstandsstunde gegangen,
und Not gibt ihrer Frechheit Stärkung.
Und schließlich, hungern ist nicht gesund
und für manches einen Milderungsgrund.

Da lass ich’s dann gelten und kann mich gar freuen,
wenn meine beiden Mädels leise
- leise ist nicht ihre Weise -
den kleinen Bettlern Brotbröcklein streuen.
Ich belausche sie da gern, es ist ihnen mehr
als ein Spaß, es kommt vom Herzen her.

 

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Ja, sie geben beide gerne,
gütige Hände sind ihnen eigen,
doch will ich mich nicht im Lob versteigen,
und dass ich mich nicht von der Wahrheit entferne:
untereinander gönnt oft keins
dem andern ein größeres Stück als seins.

Oft sind die auch selbst wie die Spatzen und Raben,
das Brüderchen ist dann im Bund der Dritte,
da zwitschern sie auch ihr bitte! Bitte!
Reißen den Hals auf und wollen was haben.
Sommer und Winters, Winters zumeist
und gar um Advent herum werden sie dreist.

Dann fangen sie an zu bitten und betteln:
Papa, zu Weihnacht, du hast mir’s versprochen,
ich möchte einen Herd, so richtig zum Kochen.
Und ich ein Zweirad. Auf Weihnachtswunschzetteln
wachsen die stolzesten Träume sich aus.
Knecht Ruprecht schleppt das schon alles ins Haus.

Und morgens, da steht von den zierlichsten Schuhen
je einer, ganz heimlich hingestellt,
an dem allersichtbarsten Platz der Welt.
Die Schelme können des Nachts kaum ruhen:
Ob wohl der Weihnachtsmann sie entdeckt?
Ob er wohl was in den Schuh uns steckt?

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Der Weihnachtsmann! Er muss ja bald kommen.
Schon stapft er durch die beschneiten Felder,
hat vom Rande der weißen Wälder
ein grünes Tännlein mitgenommen.
Von unseren Buchen die Spatzen und Kräh’n
können ihn sicher schon erspähn.


Gewiss, sie haben den guten Alten
schon gesehn. Sie lärmen und kreischen,
als wollten sie doppelte Brocken erheischen.
Und hätten sie Schühlein vom Herrgott erhalten,
ich fände sie morgens alle, ich wett’

ein zierliches Reih’ auf dem Fensterbrett.
Das war eine Wonne für meine Kleinen!
Die gütigen Hände würden sich regen
und jedem was in sein Schühlein legen,
ein Bröckchen, ein Krümchen, vergäßen nicht einen.

Und ihr rosiges Kindergesicht
strahlte dabei wie Weihnachtslicht.
Ich aber will doch morgen sehen,
- wir haben ja schon Advent geschrieben -
ob es beim alten Brauch geblieben
und wohl irgendwo Schühlein stehen.
Rechte Spatzenpantoffel mögen es sein,
und geht gewiss nicht viel hinein.

Gustav Falke (1853-1916)

 

Quelle:
Fotos: www.pixelquelle.de

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