Jeder Offizier der Marine ist schon auf der GORCH FOCK gefahren. So müssen auch die neuen Offizieranwärter diese Erfahrung mitmachen.
„An die Steuerbordbrassen!“, schallt es über das Mitteldeck. Routiniert springen die Offizieranwärter des Jahrgangs 2005 auf und besetzen die Leinen für das entsprechende Segelmanöver, als Hauptbootsmann Adriano Scherbeitz, einer der Wachführer auf der GORCH FOCK, das Kommando gibt.
Der Wind hat plötzlich gedreht, sodass die Segel schlaff herunterhängen und das Schiff deutlich an Fahrt verliert.
Mit vereinten Kräften packen die 26 Rekruten der Wachhälfte Steuerbord I an, um die Segel wieder in den Wind zu stellen, das heißt zu brassen – eine der anstrengendsten Tätigkeiten an Bord.
Dank der Pulls, bei denen bis zu 15 Soldaten gleichzeitig ziehen, schwenken die Rahen langsam herum, die Segel blähen sich wieder und die GORCH FOCK legt an Geschwindigkeit zu.
Nach dem Manöver heißt es „Klar Deck überall!: Die als Folge der Arbeit wild durcheinander liegenden Taue werden ordentlich zusammengelegt aufgeschossen und befestigt."
Nach einer halben Stunde Arbeit treten die Männer und Frauen der Steuerbord I-Wache zur wohlverdienten Pause auseinander.
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Stressiger Alltag auf See
So oder ähnlich spielt sich der Alltag auf See ab. Die Segelvorausbildung in Kiel ist längst abgeschlossen, die Phase der Eingewöhnung beendet.
Schließlich sind seit dem Auslaufen am 25. September mehr als 2.000 Seemeilen zurückgelegt worden.
Der Arbeitsalltag auf See verlangt von den Offizieranwärtern einiges ab.
Nur alle vier Tage besteht die Gelegenheit auszuschlafen. Ansonsten durchbrechen immer wieder vierstündige Segelwachen die Nachtruhe.
Matrose Christian Bräuning, (19) aus Kiel, dem Heimathafen der GORCH FOCK, hat sich schon daran gewöhnt:
„Bevor ich auf das Schiff kam, konnte ich mir nicht vorstellen, den Schlafmangel durchzuhalten. Es ist erstaunlich, wie schnell sich der Körper daran gewöhnen kann.“
Wie viel Nervenkitzel das Leben auf See bieten kann, bewies sich für Matrose Felix Michaelis, (20) aus Berlin, als die erste stürmische Nacht über das Schiff hereinbrach.
„Zwar habe ich schon als Dachdecker gearbeitet, aber wenn man oben in der Takelage steht und die Masten hin und her schwanken habe ich schon Respekt.“
Er schwärmt im selben Atemzug jedoch, dass „das Freiheitsgefühl dort oben unglaublich“ sei.
Neben den Segelwachen füllt Unterricht den Tag aus.
Alles, was ein echter Seemann beherrschen muss, bekommen die Rekruten praktisch und theoretisch vermittelt.
Neben dem Wissen über Wetter, Wind und Wellengang gehören dazu auch das Knotenknüpfen oder die Kenntnis, wie ein Segelschiff überhaupt funktioniert.
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Vier Tage Hafenaufenthalt in Lissabon
Entlang der dänischen Küste führte der Ausbildungstörn in die Nordsee, durch Ärmelkanal und Biscaya bis hin nach Lissabon, wo die GORCH FOCK erstmals vor Anker ging und wo ihr portugiesisches Schwesterschiff, die SAGRES liegt.
In der Hauptstadt Portugals nutzten die Kadetten zwischen dem 9. und 13. September die Gelegenheit, Kontakt mit den Offizieranwärtern des Landes aufzunehmen.
Matrose Karsten Eggersmann, (23) aus Gütersloh, hat die Portugiesen während ihres Besuchs auf der GORCH FOCK kennen gelernt.
„Ihre Ausbildung unterscheidet sich schon von unserer. Sie nehmen während ihres Segelpraktikums schon Vorgesetztenaufgaben wahr. Die SAGRES läuft auch nur für je zwei Wochen am Stück aus, anstatt mehrmonatige Törns zu unternehmen.“
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Endspurt nach Valencia
Noch eine Woche liegt vor der Crew, bis am 23. September in Valencia, dem nächsten Hafenstopp, der Lehrgang wechselt.
Doch noch bleibt den Offizieranwärtern keine Zeit, den sechs einmaligen Wochen auf der GORCH FOCK in Gedanken nachzuhängen.
Denn wieder hallt Hauptbootsmann Scherbeitz´ Stimme über das Schiff: „An die Backbord-Vorbrassen!“
Arbeit gibt es auf einem Segelschiff immer genug.
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