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Wildbirne - Baum des Jahres 1998

Lat.: Pýrus commúnis L., Rosengewächse/Rosáceae

Der Birnbaum, so wie er heute in unseren Obstgärten steht, war einmal ein kleiner, struppiger Baum mit dornenbesetzten Zweigen: die Wildbirne (Pyrus communis L.).

Wie alle Wildobstarten ist auch die Wildbirne sehr lichtbedürftig, zeigt nur ein geringes Höhenwachstum und hat daher von Natur aus nur an Waldrändern und auf Freiflächen eine Chance.

Außerhalb des Waldes hat man in der Vergangenheit vor allem Züchtungsformen und Varietäten der Birne, die besonders große oder schmackhafte Früchte aufweisen, angepflanzt und erhalten. Die ursprüngliche Wildform wurde so allmählich fast ausgerottet.

Eine echte Wildbirne ist heute überall eine wirkliche Seltenheit, ja fast schon eine Sensation. Am ehesten wird man sie noch in Gruppen auf Trockenrasen und wärmebegünstigten Standorten antreffen.


Erkennungsmerkmale 

Abb Woran erkennt man denn nun eine Wildbirne? Zunächst einmal fallen Birnbäume ganz allgemein durch ihren wohl einmaligen Habitus auf, der sich durch eine relativ schlanke aufstrebende Krone auszeichnet.

In der Wipfelregion sind die sogenannten „Fruchtbogen“ charakteristisch. Die ursprünglich senkrecht wachsenden Hauptäste biegen sich durch das Gewicht der Früchte immer mehr nach unten, so dass schließlich Seitenknospen das Höhenwachstum fortsetzen müssen.

Und auch die sich daraus entwickelnden Wipfeltriebe erfahren dasselbe Schicksal, so dass der Wipfel aller Birnbäume aus aufeinandergestellten, überbogenen Ästen besteht.

Im Unterschied zur Kulturbirne ist die Wildform in der Jugend bedornt; viele kurze Seitenzweige enden mit einer empfindlich stechenden Spitze. Die echte Wildbirne hat nur etwa 3 cm große Früchte, die rundlich oder eiförmig sind (und daher gar nicht wie Birnen aussehen!), im Reifezustand noch einen voll entwickelten Kelch tragen und an Stielen sitzen, die fast die Fruchtlänge erreichen.

Die Blüte erfolgt in der Regel Ende April oder Anfang Mai und in jedem Falle vor dem Laubaustrieb. Die Blüten sind zwittrig und auf Fremdbestäubung von einem anderen Baum angewiesen.

Die Blätter der Wildbirne sind rundlich, höchstens 5 cm lang und fast ebenso lang gestielt, gesägt und oft am Rand bewimpert. Oberseits glänzen sie auffällig, unterseits sind sie bläulichgrün und nie filzig behaart. Der Birnbaum gehört zur Familie der Rosengewächse und darin zur Unterfamilie der Apfelfrüchtigen.

Die besonders komplizierten, durch den Menschen beeinflussten genetischen Verhältnisse bei dieser Baumart haben dazu geführt, dass bis heute keine Einigkeit beseht, ob die Wildbirne als eigene Art (Pyrus communis L., Pyrus pyraster (L.) BURGSD.) oder nur als eine Varietät (Pyrus communis L. var. Pyrater) anzusehen und von den Kulturbirnen zu unterscheiden ist.


 

Vorkommen, Verbreitung 

Das Verbreitungsgebiet der Wildbirne reicht von Westeuropa bis zum Kaukasus. In Nordeuropa kommt sie nicht vor, da sie wärmebedürftig ist. Sie wird unter natürlichen Verhältnissen auf extrem trockene Standorte verdrängt und kommt daher am häufigsten an der Trockengrenze des Waldes vor, so auf basenreichen und flachgründigen, süd- oder westgerichteten Hängen im Mittelgebirgsraum.

Aber auch in Auenwäldern an Rhein und Elbe ist sie von Natur aus anzutreffen. Angepflanzt werden kann sie dagegen auf den meisten Standorten, solange sie genügend Licht erhält – nur sauer oder vernässt sollten sie nicht sein, und auch Frostlagen sind ungeeignet.

Bisher fast unbedeutend, liegen kaum Erfahrungen über ihre Behandlung oder Förderung in Mischbeständen vor. Dies wird sich hoffentlich durch die verstärkten Bemühungen der Forstwirtschaft in der jüngsten Vergangenheit bald ändern. Derzeit steht die Wildbirne in verschiedenen Bundesländern auf der roten Liste gefährdeter Arten!


Verwendung, ökologischer Nutzen 

Wildbirnen-Holz ist sehr begehrt, allerdings aufgrund seiner Seltenheit kaum auf dem Holzmarkt zu bekommen. Die wenigen Wildbirnen-Stämme gehen oft zu Liebhaberpreisen in die Möbeltischlerei und finden dort als Ersatz für Nussbaum (gebeizt für Ebenholz) oder wertvolle Furnier- und Intarsienarbeiten Verwendung.

Es hat eine blass-rötliche bis hell-rötlichbraune Farbe, kann im sogenannten „Falschkern“ aber auch dunkler werden und wird vor der weiteren Verwendung meist gedämpft. Das Holz ist hart, schwer und relativ dauerhaft – in manchem alten Holzhaus tragen noch heute jahrhundertealte Birnenholzbalken die schweren Decken. Es lässt sich sehr gut bearbeiten.

Neben dieser Verwendung des Holzes hat die Wildbirne – wie alle Wildobstarten – einen hohen ökologischen Nutzen, vor allem wegen ihrer für viele Insekten wichtigen Blüten und der für die Tierwelt bedeutsamen Früchte (z. B. Siebenschläfer, Marder, Dachs, Igel).


Heilkunde, Mythologie und Brauchtum

Aus Birnbaumblüten lässt sich bei Nierenbeckenentzündungen ein wirksamer Tee bereiten. Die jungen, noch geschlossenen Blütenknospen ergeben eine schmackhafte Salatbeilage. Birnensaft dient als Kur zur allgemeinen Entgiftung des Körpers. Aus 25 Pfund Birnenkernen erhielt man in Notzeiten 3 Pfund Speiseöl.

Daneben sprach man dem Birnbaum auch die Fähigkeit zu, dem Menschen wirksam Schmerzen und Krankheiten abnehmen zu können, insbesondere bei Zahnschmerzen, Gicht und Schwindsucht.

Birnbaum und Apfelbaum sind „das Paar“ im Obstgarten: wurde der Apfelbaum schon seit Urzeiten mit dem Weiblichen in Zusammenhang gebracht, so symbolisierte der Birnbaum das Männliche. Eine alte Bauernregel sagt: „Willst Du ein Kuhkalb, so vergrabe die Nachgeburt einer Kuh unter einem Apfelbaum, willst Du beim nächsten Mal ein Stierkalb, so vergrabe die Nachgeburt unter einem Birnbaum.“

Für ein Liebesorakel sollten junge Männer unter einen Apfelbaum gehen, Mädchen unter einen Birnbaum. In den Rauhnächten zwischen Weihnachten und Neujahr holten sie sich Auskünfte über das kommende Jahr, indem z. B. Mädchen um Mitternacht unter einen Birnbaum schlichen, aus ihren Holzschuhen schlüpften und diese auf den Baum warfen. Bleiben sie in den Zweigen hängen, so würde im nächsten Jahr ein schöner Jüngling am Mädchen hängenbleiben.

 

Quelle:
Mit freundlicher Genehmigung des Kuratoriums Baum des Jahres (KBJ),
www.baum-des-jahres.de

Quelle: Kuratorium „Baum des Jahres“ Faltblatt „Die Wildbirne 1997“ • Verfasser: Prof. Dr. A. Roloff

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