Kategorie:  Alle    Mensch und Gemeinschaft     In der Schule     Geschichten und Texte von Kindern     Shareen interviewt Uroma Hilde   

Shareen interviewt Uroma Hilde über das Leben in einer Zechensiedlung

Abb Der Beisenkamp war früher eine Zechensiedlung. Am 01. März 1920 zog meine Uroma Hilde mit ihren Eltern und zwei Brüdern in die Beisenkampsiedlung, in die Schleswiger Straße 5 b, die am Anfang einfach x-Straße hieß.

Alle Straßen im Beisenkamp waren mit Buchstaben benannt. Damals war meine Uroma 4 Monate alt. Sie wohnt jetzt seit 86 Jahren in der gleichen Haushälfte. Es wohnte immer eine Familie in einer Haushälfte.

Der Vater meiner Uroma war Bergmann auf der Zeche Emscher-Lippe, die Mutter meiner Uroma war Hausfrau und die Brüder Emil und Ernst gingen in die Schule.

Alle Beisenkamphäuser sahen gleich aus und waren gleich aufgeteilt. Sie bestanden aus zwei unteren Räumen und zwei oberen Räumen, einem Dachboden, der zu Hälfte als Taubenschlag diente, einem Keller und einem Stall.

In einem winzigen Flur war ein Waschbecken. Ein Plumpsklo war neben dem Flur abgeteilt. Unter dem Klo war eine Jauchekuhle. Mit der gesammelten Jauche wurde damals der Garten gedüngt.


Abb Unten befand sich eine Wohnküche mit Kohleofen. Auf dem Ofen wurde das Essen aber auch die Wäsche gekocht.

Die Mutter meiner Uroma hatte eine Waschmaschine, die man mit der Hand drehen musste. Das war damals sehr modern.

Es gab noch keinen Strom. Im gesamten Haus gab es nur Petroleumlampen. Eine gute Stube (Wohnzimmer) gab es auch, oben in der Schleswiger Straße war ein Kinderzimmer und ein Elternschlafzimmer.

Meine Uroma und ihre Geschwister hatten nur sehr wenig Spielzeug, meistes selbstgemachtes, z. B. eine handgenähte Puppe, Autos aus geschnitzten Holzklötzen usw.

Meistens spielten die Kinder auf der Straße. Das war immer sehr schön. Jeder kannte jeden.

Die Mädchen sprangen Seil, machten Hümpelkästchen, spielten mit einem selbstgemachten Lumpenball oder machten Singspiele. Die Jungen hatten Banden: z.B. die Schleswiger Straße gegen die Löhringhofstraße.

 

Abb Natürlich mussten alle Kinder auch im Haus helfen.

Im Garten hielten die Eltern meiner Uroma Hühner, ein Schwein, Kaninchen und Tauben. Die Tiere wurden nach Bedarf geschlachtet.

Sie bauten verschiedene Gemüsesorten, Kartoffeln und Salat an. Natürlich reichte dies nicht für die gesamte Ernährung der Familie. Die Eltern meiner Uroma bewirtschafteten noch ein Stück Land an der Castroper Straße.

Die Mutter meiner Uroma ging auch noch in den Kruppschen Konsum, das war ein kleiner Lebensmittelladen auf der Gertrudenstraße im Beisenkamp (heute Friseur Theos Lockenstübchen), einkaufen.


Abb Man konnte damals alles einzeln kaufen. Es gab eine Kartoffel, eine Nadel, 10 Gramm Zucker, 20 Gramm Mehl. Alles wurde einzeln verkauft und abgewogen. Das Einkaufen war auch anders als heute. Man musste in den Laden gehen, die Sachen, die man kaufen wollte, von dem Verkäufer aufschreiben lassen.

Dabei musste man seine Zechennummer angeben (Uromas Familie hatte die Zechen-Nr. 513), dann bezahlen. Der Verkäufer packte dann erst die Waren zusammen. Dann wurde die Zechennummer aufgerufen und man konnte die Ware in Empfang nehmen.

Im Beisenkamp fuhr auch ein Bäcker mit Pferd und Wagen durch, wo die Mutter meiner Uroma regelmäßig Brot kaufte. Auch ein Milchbauer brachte früher mit Pferd und Wagen frische Milch in den Beisenkamp.

Als meine Uroma ungefähr 8 Jahre alt war, wurde der Vater meiner Uroma arbeitslos. Da ging es der Familie sehr schlecht. Es war nicht mehr genug Geld für Lebensmittel da und auch die Miete von 21 Mark konnte nicht mehr bezahlt werden.

Meine Uroma Hilde war immer hungrig. Ihre beste Freundin brachte ihr jeden Morgen, als sie sie zur Schule abholte ein Butterbrot mit, weil ihr Vater noch Arbeit hatte.

Um ihr Haus nicht zu verlieren, sparte die Mutter meiner Uroma von dem wenigen Geld jeden Monat 5 Mark zusammen und brachte die als Miete zur Zeche.

So sah man ihren guten Willen und die durften weiter in der Schleswiger Straße wohnen. Um etwas mehr Geld zur Verfügung zu haben, vermieteten die Eltern meiner Uroma ein oberes Zimmer an einen Kanalarbeiter.

Die Zeit verging. Die Brüder meiner Uroma gingen aus dem Haus, meine Uroma kam in die Lehre.

 

Quelle:
Text: Schülerin einer 4. Klasse mit Hilfe ihrer Uroma

Fotos 1-3: Stadtgeschichtliche Sammlung der Stadt Datteln

Foto 4: Mit freundlicher Genehmigung von Uroma Hilde

  Kategorie:  Alle    Mensch und Gemeinschaft     In der Schule     Geschichten und Texte von Kindern     Shareen interviewt Uroma Hilde   



Lernwerkstatt für das iPad Lernwerkstatt 10


www.medienwerkstatt.de
Diese Seiten werden kostenlos für Kinder
von der Medienwerkstatt Mühlacker produziert

Copyright © 2004-2024 Medienwerkstatt Mühlacker Verlagsges. mbH. Alle Rechte vorbehalten

Mitglied bei seitenstark.de

Wir sind Mitglied